Chronik

06. Oktober 2006

Auf den Spuren von Pankratius und Felicitas
GESCHICHTE
Kurt B. Wirtz hat alles Wissenswerte über sämtliche Oberpleiser Glocken und die Orgeln der Propsteikirche zusammengetragen. Bei seinen Reccherchen entdeckte er sogar ein Uhrwerk von 1736

GA_Glocke

Aufwändig recherchiert: Kurt B. Wirtz hat aus eigenem Erleben und nach wochenlangem Stöbern in den Archiven eine Dokumentation über die Oberpleiser Glocken erstellt.
FOTO: FRANK HOMANN

Von
Roswitha Oschmann

OBERPLEIS.
Sie ist mit 1 939 Kilo das Schwergewicht. Und sie ist geweiht dem heiligen Pankratius, dem Schutzpatron der katholischen Pfarrgemeinde. Dieses Prachtexemplar mit dem des-Ton wurde am 7. Oktober 1924 feierlich eingeholt, mit ihr die Felicitas- und die Herz-Jesu-Glocke. Die Weihe des Trios war dann am 12. Oktober. Erstmals zum Einsatz kamen diese drei Glocken, die den im Ersten Weltkrieg gefallenen Söhnen Oberpleis' gewidmet waren, sechs Tage später.

Vom Propsteiturm schallte ihr Geläut übers Land. Knapp zwanzig Jahre später war nur noch die kleinste Glocke da. Mit Anordnung vom 14. März 1944 mussten nämlich Pankratius und Felicitas „aus kriegsbedingten Gründen" abgegeben werden. Beim Herausnehmen stürzte die Pankratius-Glocke in die Tiefe. Sie hinterließ eine Scharte in der steinernen Bodenplatte vor dem Haupteingang am Turm. Aber: Sie zerschellte nicht. Und; Sie blieb den Oberpleisern erhalten. Denn Pankratius wurde auf einem Glockenfriedhof in Hamburg wiedergefunden. Sie läutet noch heute.

Ersatz für die verschollene Felicitas wurde 1954 geschaffen. Im Autokonvoi fuhr damals eine Abordnung in die Glockengießerei nach Westfalen, um den Guss des 1 386-Kilo-Exemplars zu verfolgen. Bei der Weihe der neuen Felicitas am Palmsonntag war „ganz Oberpleis" auf dem Platz vor der Kirche versammelt.

Pfarrer Hans Wichert hatte beim Generalvikariat die Genehmigung eingeholt, dass Prälat Peter Buchholz, der als Plötzensee-Gefangenen-Pfarrer bekannt geworden war, den feierlichen Akt vollziehen durfte. Eigentlich gäben die Geschichte der Oberpleiser Glocken und die mit ihnen verbundenen Episoden ein Heimatbüchlein her. Kurt B. Wirtz, der 1952 als Küster, Organist und Chorleiter an St. Pankratius seinen Dienst antrat, hat jedenfalls alles Wissenswerte über sämtliche Glocken, aber auch die Orgeln zusammengetragen. Sogar die Namen aller Organisten der Pfarrei konnte er aufspüren. Der gebürtige Hennefer, der nach seinem Examen an der Musikhochschule Köln nach Oberpleis kam und dort selbst ein Stück Musikgeschichte schrieb - etwa als Begründer und Leiter des Oberpleiser Kammerchors und -orchesters - stöberte in Archiven und befragte Zeitzeugen. Er trug alte Fotos zusammen.

Und der 77-Jährige hat natürlich selbst eine Menge mit Glocken und Orgeln in seiner Zeit an St. Pankratius erlebt und niedergeschrieben. So berichtet er von den Bemühungen, pünktlich zum vierzigjährigen Priesterjubiläum von Hans Wichert 1962 zwei neue Glocken anzuschaffen. Wirtz entdeckte damals, dass der Glockenstuhl instabil geworden war. Eine Reparatur wurde nötig. Aber dann endlich hatten die Oberpleiser mit Johannes Baptista und Sancta Maria zwei neue Glocken und „eines der schönsten Geläute überhaupt", wie Kurt B. Wirtz urteilt. Zum Ensemble zählt aber auch noch die Messglocke im Vierungsturm der Kirche.

Diese stammt aus der gleichen Epoche wie die Sturmglocke" im SoldatenEhrenmal. Wirtz: „Sie sind nachweislich anhand des Glockengießerzeichens zwischen 1330 und 1337 entstanden. Die Propsteikirche besaß also schon im 14. Jahrhundert Glocken." Der „Detektiv" beschreibt auch die Sache mit der Sturmglocke, die übrigens die bemerkenswerte und von Wirtz erklärte Inschrift „Ich gehöre den Dorfleuten, nicht den Mönchen" trägt. An ihrem Rand ist ein Stück herausgebrochen. Das passierte, als während der Separatistenkämpfe Sturm geläutet wurde. Wirtz fand heraus, wie das damals wirklich war.

Josef Bellinghausen, der einzige mit Telefon, erhielt Nachricht der Aegidienberger Abwehrkämpfer; sie forderten Verstärkung an. Die sollte per Glockengeläut herbeigerufen werden. Bellinghausen schickte seine Lehrlinge in die Kirche. Sie entdeckten den Riss in der Glocke, bekamen Angst. Dures Müllenholz übernahm - ihm passierte das Missgeschick. Die beschädigte Sturmglocke wurde entfernt. Später hätte sie von den technischen Möglichkeiten her repariert werden können. Aber sie passte nicht mehr vom Ton. Der einstige Küster erwähnt auch die Zuständigkeit der „weltlichen Macht" für den Turm. Daraus resultierte, dass der Küster für das Aufziehen der Gewichte der mechanischen Turmuhr einen Obolus von 10 Pfennig pro Tag von der Gemeinde erhielt.

Wirtz entdeckte während seiner Recherchen sogar das Uhrwerk von 1736, das bei der Kirchenrestaurierung ausgebaut wurde. Es befindet sich nicht, wie bisher angenommen, im Besitz der Herstellerfirma. Die Geschichte der Orgel ist ein Band für sich. Nachweislich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts muss in der Pfarrkirche Sankt Pankratius bereits eine Orgel gestanden haben. Denn im Taufbuch von Ittenbach ist 1686 der „Organister zu Oberpleis", Joes Gener, als Pate verzeichnet. Damit konnte Kurt B. Wirtz auch die Namensliste der Organisten erweitern.

Quelle: General-Anzeiger vom 06.10.2006