Chronik

4. Mai 2004

Erzbistum nimmt auch Kirchen unter die Lupe
FINANZEN Der Rückgang der Kirchensteuereinnahmen zwingt die Diözese zu einer drastischen Reduzierung der Zuschüsse. Pfarreien im Siebengebirge sind auch betroffen.

Die Pfarrheime in Heisterbacherrott und Thomasberg (rechts) sind wegen Kürzung von Zuschüssen von der Schließung bedroht.               FOTOS: FRANK HOMANN

Von Hansjürgen Melzer

KÖNIGSWINTER. Die Zahl der Katholiken im Erzbistum schrumpft weiter, jetzt haben die Kölner hinsichtlich der damit einhergehenden Mindereinnahmen die Notbremse gezogen. Alle Kirchenvorstände sind darüber informiert worden, dass Zuschüsse für die bewirtschafteten Flächen wie Pfarr- und Jugendheime oder Büchereien nur noch im Rahmen einer neuen Richtlinie gezahlt werden. Sie richtet sich nach der Zahl der Gemeindemitglieder. So erhalten zum Beispiel Pfarren mit bis zu 2000 Mitgliedern Zuschüsse für 150 Quadratmeter, bis zu 4000 Mitglieder werden 200 Quadratmeter finanziert. Bei bis zu 7000 Seelen sind es 260 Quadratmeter. Zählt die Gemeinde bis zu 10000 Mitglieder werden künftig nur noch 320 Quadratmeter gefördert. Um diese Werte 2009 zu erreichen, wird der so genannte Zuschlag-Besitzstand ab 2005 jährlich um 25 Prozent abgeschmolzen.
  Der drastische Rückgang der Einnahmen aus Kirchensteuern - im Jahr 2003 waren es 462 Millionen Euro - hat das Erzbistum auf den Plan gerufen. Hinzu kommt, dass den Kölnern ein Gutachten vorliegt, wonach die Zahl der Katholiken in ihrem Bereich von derzeit 2,2 Millionen bis zum Jahr 2030 auf 1,6 bis 1,7 Millionen zurückgehen soll. Noch dramatischer wird der Anteil derer, die Kirchensteuer bezahlen, zurückgehen, weil der Prozentsatz der Kirchenmitglieder im Rentenalter weiter zunehmen wird. Auch jetzt schon zahlen nur 35 Prozent der Kirchenmitglieder Kirchensteuer, weil diese an die Einkommensteuer gekoppelt ist. Auch die Auswirkungen der Steuerreform bekommt das Erzbistum zu spüren. „Wir haben die Gemeinden so frühzeitig informiert, damit sie planen und versuchen können, die Kürzungen aufzufangen“, sagt Carsten Horn von der Pressestelle des Erzbistums. Pfarrheime oder Pfarrsäle seien so gut vermietet, dass sie auch nach einer Kürzung der Zuschüsse weiter betrieben werden könnten. Der Fantasie sind künftig keine Grenzen gesetzt. So könnten sich Gemeinden, die nah beieinander liegen, zum Beispiel ein Pfarrheim teilen.
  Dabei geht es bei den Kürzungen bisher nur um die bewirtschafteten Flächen. Geprüft werden zurzeit mit Hilfe der Unternehmensberatung McKinsey aber die Einsparpotenziale in allen Bereichen des Erzbistums von der zentralen Verwaltung über die Bildungswerke bis zu den Gemeinden. Dabei sind auch die Kirchen nicht sakrosankt. „Kirchen haben einen anderen Stellenwert als andere Immobilien“, versichert Horn zwar, das heißt jedoch nicht, dass die Gotteshäuser künftig von Kürzungen ausgenommen bleiben müssen. Auch hier ist Kreativität bei den Gemeinden gefordert. Wenn die Zahl der Kirchenmitglieder und Kirchgänger weiter zurückgeht, müssen sie sich die Frage stellen, ob nicht auch andere Nutzungen der Kirchen möglich sind. In großen Kirchen könnte beispielweise ein Teil als Veranstaltungssaal abgetrennt werden. Auch eine Nutzung eines Seitenschiffs als Pfarrbüro ist vorstellbar. Wie zu erfahren war, hat das Erzbistum eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die die Kirchen im Hinblick auf Funktionalität und Auslastung unter die Lupe nehmen soll.
  Nachdem das Erzbistum Trier angekündigt hat, 114 seiner 557 Kindergärten an andere Träger abgeben zu wollen, macht man sich darüber auch in Köln Gedanken. Der Beratungsprozess ist zurzeit in vollem Gange, nach den Sommerferien sollen die Ergebnisse präsentiert werden.
  Bei einem angestrebten Einsparvolumen von bis zu 90 Millionen Euro wird es ohne Personalabbau nicht gehen. Auch hier sollen bis zum Herbst konkrete Pläne vorliegen. Die Zahl der Pfarrer ist dabei nicht nur durch die sinkende Zahl der Seelen, die sie zu betreuen haben, sondern auch durch den fehlenden Priesternachwuchs limitiert. Hier liegt ein Personalplan des Erzbistums mit der Stellenanzahl für jeden einzelnen Seelsorgebereich bis zum Jahr 2010 vor, der den Gemeinden Planungssicherheit bietet. Danach sollen für jeden Seelsorgebereich zwei Priester zuständig sein, neben einem Pfarrer können das auch ein Kaplan oder ein Subsidiar sein.
  Synergieeffekte erhofft sich das Erzbistum auch von der Gründung so genannter Kirchengemeindeverbände (KGV), die mancherorts schon existieren. Während sich Pfarrverbände mehr um inhaltliche Themen kümmern, sind KGVs für die vermögenswirksame Verwaltung zuständig. Ein Beispiel: Während bisher jede Pfarre einen eigenen Organisten oder Gemeindereferenten hatte, kann der KGV beide beschäftigen und einzelnen Gemeinden ausleihen. Personalabbau ist die Folge. Eine andere KGV-Aufgabe ist die zentrale Verwaltung kirchlicher Kindergärten. Offiziell ist es zwar in das Ermessen der Pfarrverbände gestellt, wieviel Kompetenzen sie an den KGV abgeben. Wenn das Erzbistum die Zuschüsse kürzt, wird den meisten aber gar nichts anderes übrig bleiben.

REAKTIONEN DER PFARREIEN IM SIEBENGEBIRGE

Relativ gelassen sieht Pfarrer Georg Kalckert die geplante Kürzung der Zuschüsse für die bewirtschafteten Flächen seitens des Erzbistums. Kalckert ist für die drei Pfarreien im Königswinterer Talbereich, Sankt Michael Niederdollendorf, Sankt Laurentius Oberdollendorf und Sankt Remigius Königswinter, die zusammen auch einen Pfarrverband bilden, zuständig. Der Pfarrer hat die zentrale Rendantur, die die Finanzen aller 18 Pfarreien im Dekanat Königswinter verwaltet, beauftragt, ihm die aktuellen Zahlen mitzuteilen „Wo sich Pfarren riesige Häuser gebaut haben, kann das sicher eng werden. Wir haben zwar drei Pfarrheime, aber die sind alle passgenau ausgestattet“, sagt Kalckert. Er hat in Oberdollendorf 3500, in Königswinter-Altstadt 2500 und in Niederdollendorf 1500 Gemeindemitglieder zu betreuen. Dabei ist das Haus in Königswinter mit Schießstand und Kegelbahn zum Teil verpachtet, so dass auch Einnahmen erzielt werden. Kalckert sieht die Mitteilung aus Köln als Appell an die einzelnen Gemeinden, sich auf Gemeinsamkeiten zu besinnen. „Wir in Königswinter arbeiten schon lange zusammen.“ So gibt es im Talbereich bereits einen Kirchengemeindeverband, der zum Beispiel für die Verwaltung der drei Kindergärten zuständig ist und sich künftig auch um die Pfarrheime kümmern könnte. Für alle drei Gemeinden gibt es auch ein zentrales Pfarrbüro. Mit drei Büchereien leistet man sich im Tal aber einen gewissen Luxus. Schließen will Kalckert möglichst jedoch keine. „Das wäre schlimm. Die Entfernungen sind bei uns einfach zu groß.“
  Für drei Gemeinden mit einem Pfarrverband tätig ist auch Pfarrer Franz Lurz in Bad Honnef, das ebenfalls zum Dekanat Königswinter gehört. Er betreut die Pfarreien Sankt Johann Baptist, Sankt Martinus Selhof und Sankt Mariä Heimsuchung Rhöndorf, die zusammen zwischen 10000 und 11000 Mitglieder haben. Alle drei verfügen über eigene Pfarrheime. „Unsere Pfarrheime sind, gemessen an den Zahlen des Erzbistums, alle zu groß. Wir werden sie wahrscheinlich nicht schließen, was aber mit großen Kosten verbunden sein wird“, sagt Heiner Jansen, der stellvertretende Vorsitzende von Sankt Johann Baptist. Pfarrer Lurz, der Vorsitzender aller drei Kirchenvorstände ist, befindet sich zurzeit in Urlaub.
  Auch die Bad Honnefer haben die Zentralrendantur beauftragt, ihnen die Zahlen mitzuteilen. Eine anderweitige Nutzung der Pfarrheime als durch kirchliche Vereinigungen kann Jansen sich zurzeit noch nicht vorstellen. „Ich gehe nicht davon aus, dass wir das wollen.“ Stattdessen will man sich um eine anderweitige Finanzierung bemühen.                                   mel

Quelle: General-Anzeiger vom 04. Mai 2004