Chronik

13. Dezember 2007

Eine Ittenbacher Denkschrift für den Papst

KIRCHE Pfarrer Udo Maria Schiffers setzt sich für die Zulassung verheirateter Männer zum Priestertum ein. In der Ostkirche sind 83 Prozent der Priester verheiratet. Rahmenbedingungen für das Zölibat haben sich verändert

ITT_GA_Denkschrift

Der „Dorfpfarrer" und der Papst: Das Foto von Udo Maria Schiffers mit Papst Benedikt XVI. schoss der „Hoffotograf" des Vatikan im September beim Treffen des Schülerkreises in Castel Gandolfo.        REPRO: HOLGER HANDT

Von Hansjürgen Melzer
 
ITTENBACH.
Vielleicht ist es ein kleiner Mosaikstein auf dem Weg zu einer großen Veränderung in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche. Als der Ittenbacher Pfarrer Udo Maria Schiffers im September wie jedes Jahr an einem Treffen des ehemaligen Schülerkreises von Papst Benedikt XVI. in Castel Gandolfo teilnahm, überreichte er dem Heiligen Vater eine Denkschrift. Thema der 27 Seiten, die Schiffers auf Bitten des Vatikans dem Sekretär von Joseph Ratzinger, Monsignore Gänswein, aushändigte: die Zulassung verheirateter Männer zum Priestertum.

„Dieses Anliegen vertrete ich schon, solange ich Priester bin", sagt Schiffers. "Ich denke, dass es höchste Zeit ist, verheiratete Männer zu weihen. Es war bereits vor 20 Jahren fünf vor zwölf, jetzt ist es bereits fünf nach zwölf. Wenn wir die Seelsorge aufrechterhalten wollen, geht es nicht ohne sie", ist er fest überzeugt. Die Zusammenlegung immer mehr Pfarreien zu immer größeren Seelsorgebereichen sei die unmittelbare Folge des Priestermangels. Ab dem 1. Januar 2008 wird der Seelsorgebereich Königswinter / Am Oelberg um die Eudenbacher Pfarrgemeinde Sankt Mariä Himmelfahrt erweitert. Ab dem 1. Januar 2009 wird es im gesamten Seelsorgebereich nur noch einen kanonischen Pfarrer geben.

Ob die Initiative „eines kleinen Landpfarrers", so Schiffers über sich selbst, beim Papst Eindruck macht, wird erst die Zukunft zeigen. Immerhin kennen sich die beiden seit 1974, als Schiffers sein Studium in Regensburg bei Joseph Ratzinger aufgenommen hatte. Schon zu Zeiten, als das heutige Oberhaupt der Katholischen Kirche Kardinal in Rom war, traf sich der ehemalige Schülerkreis einmal jährlich in Rom zu einem mehrtägigen Seminar, an dem stets auch Joseph Ratzinger teilnahm. Selbst als Papst nahm sich Benedikt XVI. im vergangenen Jahr einen ganzen Tag Zeit für seine ehemaligen Schüler. In diesem Jahr waren es zwei Stunden, in denen Schiffers Gelegenheit hatte, den Papst auf seine Denkschrift hinzuweisen. „Ich weiß, dass er meine Art zu denken schätzt und mir zuhört", so der Ittenbacher Pfarrer.

Für seine Thesen nennt der Geistliche in seiner Denkschrift eine ganze Reihe von Argumenten. So wäre das Ideal des ehelosen Lebens in der Geschichte durch bestimmte gesellschaftliche Voraussetzungen gefördert worden, die nicht im Einfluss der Kirche gelegen hätten. So sei das monastische Leben für viele Männer angesichts gesellschaftlicher Zwänge eine Flucht in die Freiheit gewesen.

Während der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert seien zudem viele Kinder von ihren Eltern in die klosterliche Obhut gegeben worden, um ihnen ein Leben in Armut und Elend zu ersparen. Eine Rolle hätte auch die viktorianische Doppelmoral mit der Prüderie nach außen und einer ausgeprägten Freizügigkeit nach innen gespielt. Auch das habe die Entscheidung für ein Leben im Kloster erleichtert.

Bis in die heutige Zeit habe sich das gesellschaftliche Umfeld jedoch völlig verändert. „Im Zeitalter der sexuellen Befreiung ist das Gegenteil der Fall. Ehe sich die jungen Menschen Gedanken machen, in den Dienst der Kirche einzutreten, haben sie in der Regel bereits sexuelle Erfahrungen gemacht und sind für die Ehelosigkeit verloren", sagt Schiffers.
Die Ostkirche zeige zudem, dass das Ideal des ehelosen Lebens auch bei der Zulassung verheirateter Männer zur Priesterweihe weiter Bestand habe. „Das Ideal soll ja nicht zerstört werden. Doch die sich berufen fühlen, reichen nicht aus", so Schiffers. In der Ostkirche sind heute 83 Prozent der Priester verheiratet; während 17 Prozent dem Ideal folgen.

Überrascht wurde Schiffers in Rom von einer ganzen Reihe von dringlichen Memoranden zum gleichen Thema, die beim Papst eingereicht wurden. Vor allem habe dort das Argument die Runde gemacht, dass einerseits evangelischen Pfarrern, die zur katholischen Kirche konvertieren, die Priesterweihe erteilt und die Fortführung ihrer Ehe gestattet werde, katholischen Männern diese Möglichkeit jedoch nicht eingeräumt werde.

Das Thema werde innerhalb der römischen Kurie zurzeit intensiv diskutiert. Schiffers: „Die Front scheint zu bröckeln und es ist zu hoffen, dass in absehbarer Zeit mutige Entscheidungen zum Wohle der Menschen in der Kirche getroffen werden."

Quelle: General-Anzeiger vom 13.12.2007